Gedenktag: 5. September
1864 soll der französische Dominikaner Jean Joseph Lataste Einkehrtage in der Nähe von Bordeaux im Frauenzuchthaus von Cadillac halten. Er verspricht sich nicht viel davon. Was soll er überführten Mörderinnen und Diebinnen schon von Gott erzählen? Er erzählt ihnen die Geschichte der Maria Magdalena, so, wie er sie kennt: Eine stadtbekannte Sünderin begegnet Jesus und wird zur Heiligen, weil sie erlebt, dass Gott selbst sie liebt – bedingungslos.
Könnte das nicht auch die Geschichte der inhaftierten Frauen sein? Die Frauen, die unter der Last ihrer Schuld, dem Hass gegenüber denen, die sie dazu getrieben hatten und den harten Bedingungen ihrer Haft zu verzweifeln drohten, sind betroffen. In der Tat: Das ist ihre Geschichte, das kann ihre Geschichte werden, wenn sie diese Liebe Gottes annehmen und zum Zentrum ihres Lebens machen. Dann kann das Gefängnis mit all seinen Härten ein Ort der Gottesbegegnung, ein Kloster werden.
Aber was geschieht nach ihrer Entlassung? Wo hätte eine Strafentlassene eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben? Wer gibt ihr Arbeit oder Wohnung, wer mag mit ihr Gemeinschaft haben? Auch Lataste weiß da keinen Rat. In einer Nacht, in der alle 400 Frauen mit ihm in der Kapelle beten, kommt ihm eine Vision: Was hat Magdalena eigentlich getan, nachdem sie Jesus begegnet ist und nun auch nicht mehr von Prostitution leben konnte? Nun, sie hatte eine Schwester in Bethanien, da konnte sie immer hin zurück.
Gibt es solche Schwestern auch für die strafentlassene Frauen? Gemeinsam mit der couragierten Ordensfrau Henri–Dominique Berthier gründet er 1866 das erste Kloster der Dominikanerinnen von Bethanien: eine Gemeinschaft von Ordensschwestern, bei der niemand von außen erkennen kann, wer einmal „stadtbekannte Sünderin” gewesen ist und wer „unbescholtene Jungfrau” – und in der diese Unterscheidung auch untereinander keine Rolle spielt.
Jean Joseph Lataste wird auch „Apostel der Gefängnisse“ genannt. 2012 wurde er selig gesprochen.