Fachleute tauschten sich im Wiener Dominikanerkloster beim Symposium „Aquinas in History“ drei Tage lang über Philosophie und Theologie des hl. Thomas von Aquin aus
Aus Finnland etwa, den USA und sogar Japan kamen die insgesamt gut 80 Teilnehmer des Symposiums „Aquinas in History“, das vom 6. bis 8. Juni 2024 im Wiener Dominikanerkonvent stattfand, der damit kurzzeitig zum Zentrum für philosophische und theologische Studien des Werks des großen Kirchenlehrers und Dominikaners aus dem Mittelalter, des heiligen Thomas von Aquin (1225 – 1274), wurde. Das internationale, hochrangig besetzte und durchweg englischsprachig gehaltene VII. Symposium Thomisticum bot neben Vorträgen auch Raum für Diskussionen. Dadurch kam ein lebendiger Austausch über die Theologie und Philosophie des Heiligen zustande, der derzeit aufgrund dreier Jubiläen im Fokus eines dreijährigen Gedenkzeitraumes (2023-2025) steht.
„Das Potenzial der Schriften des heiligen Thomas ist selbst nach Jahrhunderten der Diskussion und des Nachdenkens über diese noch längst nicht zur Gänze geborgen“, erklärt Pater Dr. Rupert Mayer OP vom Dominikanerkonvent S. Maria Rotunda in Wien, Mitveranstalter und ehemaliger Professor für Christliche Philosophie an der Franciscan University of Steubenville (Österreichisches Programm in Gaming). Anhand der inhaltlich extrem breit gefächerten Themen zum Einfluss des Thomas in der Geschichte von Philosophie und Theologie, die die Referenten mit ihren Vorträgen boten, wurde dies auf besondere Weise deutlich, so P. Rupert. Die Vortragstitel lauteten etwa „Thomas von Aquin über die Geschichte der Philosophie des Seins“, „Thomas von Aquin und die Suche nach seiner ursprünglichen Einsicht“, „Thomistische Bibelexegese in einer spätmittelalterlichen Kontroverse: Paulus Burgensis vs. Nicholas von Lyra“, „Das Problem des Bösen und die Natur Gottes: Göttliche Barmherzigkeit und Leid bei Thomas von Aquin“ oder „Wer hat als Erster die Unterscheidung zwischen Wesen und Sein begründet? Die Wurzeln des Thomas von Aquin in der griechisch-arabischen Philosophie“. Die Beiträge der Redner, die den heiligen Thomas in Bezug zu einer oder mehrerer seiner Quellen oder späteren Einflüsse stellten, wurden auf der Veranstaltung zeitlich begrenzt, um Gelegenheit zur Diskussion zu geben.
(Foto links: Die große Gruppe der Teilnehmenden des Symposiums „Aquinas in History“ vor dem Eingang zur Dominikanerkirche S. Maria Rotunda.)
Dreijähriger Gedenkzeitraum
Das Symposium Thomisticum VII, das in Kooperation mit Dr. Fran O’Rourke, emeritierter Professor für Philosophie, University College Dublin, veranstaltet wurde, trug bewusst den Titel „Aquinas in History“. Denn der große Heilige steht derzeit aufgrund dreier bemerkenswerter Jubiläen im Zentrum eines dreijährigen Gedenkzeitraumes: 2023 jährte sich seine Heiligsprechung zum 700. Mal, 2024 erinnern sich die Dominikaner seines 750. Todestages und im kommenden Jahr feiern sie die 800. Wiederkehr seines Geburtstages. Die Jubiläen waren zugleich Anlass dieser Veranstaltung.
Wer war Thomas von Aquin?
Der Dominikaner Thomas, geboren anno 1225 auf einer Burg bei Aquino/Italien, war Schüler des heiligen Albert des Großen. Der Mann, der 1244 in den Orden der Predigerbrüder eintrat, formulierte die Idee des Predigerordens, die über die Jahrhunderte hinweg tradiert wurde: Contemplari et contemplata aliis tradere – In der Kontemplation leben und anderen die Früchte der Kontemplation weitergeben. Das große Thema des Thomas von Aquin, des Denkers der Scholastik, ist die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft, wie auf dem Symposium von P. Dr. Thomas Joseph White OP unterstrichen wurde („Erkenntnis der Trinität und Wesen der Universität: Mittelalterliche und moderne Theorien“). In seinem Hauptwerk, der „Summa Theologiae“, zeigt Thomas, dass die Existenz Gottes durch die Vernunft erkannt werden kann. Seine „fünf Wege“ sind rationale Gründe, die Gottes Existenz aufzeigen. Die Argumentationskette endet jeweils mit der Feststellung: „Das ist es, was alle Gott nennen.“ Doch ebenso hat die Vernunft eine Grenze, die vom Glauben an die Offenbarung überschritten wird. Denn die Vernunft kann z. B. aus sich die Dreifaltigkeit Gottes in sich selbst nicht ergründen, die allein der Glaube an die Gottheit Jesu Christi erkennt.
Die große Gelehrsamkeit des Thomas fand ihren Niederschlag in einer Vielzahl philosophischer und theologischer Werke, die Bibliotheken füllt. Jedes Jahr 4.000 Seiten, so hat man ausgerechnet, hat Thomas von Aquin geschrieben.
Sowohl nach den Vorträgen, die in kleineren Gruppen parallel stattfanden, als auch nach den Beiträgen mehrerer Referenten im Plenum bestand für die Zuhörenden die Möglichkeit zur Nachfrage und Diskussion (Foto links). Einer der beiden Keynote Speaker war P. Dr. Thomas Joseph White OP, Rektor der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin in Rom (Mitte). Der Einladung zur Messe in der Dominikanerkirche, die Pater Dr. Rupert Mayer OP zelebrierte, folgten auch zahlreiche Teilnehmer des Symposiums (Foto rechts).
Über das Symposium Thomisticum
Das Symposium Thomisticum, das 2016 eingeführt wurde, hat bis jetzt siebenmal an verschiedenen Orten stattgefunden (Paris, Porto, Athen, Rom, Krakau, Barcelona, Wien), auch unter reger Teilnahme dominikanischer Thomaskenner. Das Symposium wurde ermöglicht, weil Kardinal Desmond Connell von Dublin einen Bildungsfonds für die Erforschung der Werke des Thomas von Aquin gründete. Entsprechend dient das Symposium den Thomasforschern zum Gedankenaustausch, der die Studien belebt und eine tiefere Durchdringung der Werke des Aquinaten ermöglicht. Auch freundschaftliche Bande ergeben sich über die Grenzen der vielen Nationalitäten hinweg, sodass es möglich wird, andere Interessierte an der je eigenen Forschung zu beteiligen. „Es war eine große Freude, dieses wichtige, internationale Symposium im Wiener Dominikanerkonvent zu beherbergen“, erklärt P. Dr. Rupert Mayer OP.
Freuen sich über den intensiven Austausch über die Theologie und Philosophie des hl. Thomas von Aquin während des Symposiums: die Veranstalter P. Dr. Rupert Mayer OP (li.) und Prof. em. Dr. Fran O’Rourke vor der Kapelle des hl. Thomas in der Wiener Dominikanerkirche.