Wir verstärken hier die Stimmen unserer Mitbrüder aus dem ukrainischen Kriegsgebiet auf Deutsch. Sie engagieren sich mit allen Kräften vor Ort für Menschen, die Hilfe brauchen. Wenn Sie unsere dominikanische Familie in der Ukraine unterstützen wollen, ist dies z.B. direkt über ihre Aktionswebseite hilfeukraine.dominikanie.pl möglich. Dort haben die ukrainischen Dominikaner mit ihren polnischen Mitbrüdern Infos und direkte Wege aufgeführt: Was wird dringend gebraucht? Wo helfen die Dominikaner im Kriegsgebiet? Wie kommen die Sachen zu den Menschen? Will ich Geld spenden oder direkt konkrete Lebensmitteleinheiten? Herzlichen Dank an alle Unterstützenden!
In seinem Videoformat „Briefe aus der Ukraine“trägt unser Noviziat (->Link zum Youtube-Kanal) die Briefe unten übrigens gesprochen vor für alle, bei denen der Weg zum Herzen über die Ohren führt.
Kiew, 26. März, 17:30 Uhr
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der gestrige Tag stand für uns wie für viele Gläubige in aller Welt im Zeichen Mariens. Am Abend gingen wir mit einigen Patres und den meisten Menschen, die jetzt in unserem Kloster leben, in die St. Alexander-Kathedrale in Kiew, wo wir in geistlicher Verbundenheit mit Papst Franziskus am Akt der Weihe der Ukraine und Russlands an das unbefleckte Herz Mariens teilnahmen. Der Messe stand Bischof Vitalij, Ordinarius der Diözese Kiew-Schytomyr, vor, der Apostolische Nuntius hielt die Predigt: Erzbischof Visvaldas Kulbokas ist Litauer und wurde vor kurzem zum Botschafter des Heiligen Stuhls in der Ukraine ernannt und zum Bischof geweiht. Er ist einer der wenigen Diplomaten, welche die ukrainische Hauptstadt nicht verlassen haben. Ich sollte hinzufügen, dass er wahrscheinlich ein oder zwei Zentimeter größer ist als ich, und jeder, der mich kennt, weiß, dass ich kein Zwerg bin. Als er nach der Eucharistiefeier in die Sakristei kam, begrüßten wir uns herzlich und scherzten, dass ihm ein Bart gewachsen sei. „Nun“, antwortete der Nuntius, „es herrscht Krieg“. Dies ist nicht der erste „bärtige“ Diplomat des Vatikans in der Ukraine. Sein Vorgänger, ein Italiener, trug ebenfalls einen Bart, was einige unserer ukrainischen Bischöfe, die keine bärtigen Priester mögen, etwas verärgerte. Priester aus Kamjanez-Podilskyj oder Chmelnyzkyj wissen, dass sie sich als erstes rasieren müssen, wenn sie ihren Bischof treffen. Aber der Nuntius darf mehr Handlungsspielraum nutzen.
In „normalen“ Zeiten war die Kiewer Kathedrale voller Menschen, die an Gottesdiensten teilnahmen. Gestern waren wir höchstens fünfzig. Das erscheint mir in dieser Kriegszeit als eine große Menge. Denn viele Gläubige haben die Stadt verlassen, und diejenigen, die geblieben sind, haben oft keine Möglichkeit, das Zentrum der Hauptstadt zu erreichen. Auch fahren die öffentlichen Verkehrsmittel nicht, und man muss vor 20 Uhr zu Hause sein, da dann die Ausgangssperre beginnt. Obwohl es jetzt keine Staus mehr auf den Straßen gibt, dauert Reisen mit dem Auto seine Zeit, denn man muss an den Kontrollpunkten anhalten, Dokumente vorzuzeigen, den Kofferraum öffnen, erklären, wer man ist und was man hier macht. Außerdem haben manche Menschen einfach Angst, ihre Häuser zu verlassen, denn die Explosionen und Schüsse, die man täglich hört, sind beängstigend und lassen uns den Krieg nicht vergessen.
Unter den Betenden fehlte es nicht an Frauen und Männern in Uniformen. Ein stämmiger Mann stand unauffällig im hinteren Teil der Kirche mit einer langen Pistole. Aber das überrascht oder beunruhigt aktuell niemanden mehr. Nach der Eucharistiefeier kamen zwei Herren in militärischen Uniformen auf Erzbischof Vitalij zu und baten ihn um seinen Segen. Der Bischof betete lange über jedem einzeln. Ich hatte den Eindruck, dass auch er, wie ich, sichtlich bewegt war.
Während der Gabenbereitung spielte und sang der Organist in ukrainischer Sprache das wohlbekannte „Lied der Hoffnung“ von Pater Dawid Kusz OP. Die Worte des Refrains drangen tief ins Herz und ließen uns den Horizont Gottes über dem, was geschieht, deutlich erkennen: „In seiner großen Barmherzigkeit hat Gott uns zur Hoffnung geboren, zur großen Hoffnung“. Dawid war vor einigen Monaten in Kiew gewesen und hatte einen Workshop über liturgischen Gesang geleitet. Der nächste hätte Ende Februar stattfinden sollen, aber da war der Krieg bereits ausgebrochen.
Noch ein anderes Lied hat mich sehr bewegt. Als wir nach der Messe mit den Bischöfen vor der Statue Unserer Lieben Frau von Fatima in der Seitenkapelle kniend das Weihegebet sprachen, wurde die Kirche vom Gesang des Liedes „Boze Velyky, Yedyny“ erfüllt, das als geistliche Hymne der Ukraine bekannt ist. Auf dem Rückweg zum Kloster erklärte uns Anton, dass dieses Lied, das 1885 von Mykola Lysenko komponiert worden war, kurz nach der Unabhängigkeit der Ukraine Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. zunächst inoffiziell als deren Nationalhymne galt. Obwohl das Lied nicht offizielle Hymne wurde, ist es weiterhin bekannt und wird von Christen sowohl östlicher als auch westlicher Glaubenstraditionen häufig gesungen. Vor Jahren, als Pater Tomasz, der jetzt in Lwiw wohnt, und ich in Tschortkiw in Podolien arbeiteten, staunten wir, wie wunderschön dieses Lied von einigen älteren Bewohnern des Dorfes Shypivtsi dargebracht wurde, die zu den Messen kamen, die wir in der bezaubernden Kapelle am alten polnischen Friedhof feierten. Wenn Sie die spirituelle Hymne der Ukraine auf zeitgenössische Weise im prächtigen Innenraum der Sofia in Kiew hören möchten, können Sie hier direkt einen Blick darauf werfen: https://www.youtube.com/watch?v=9ICZ_LCkKDY
Ich möchte erwähnen, dass die Verehrung des Herzens Jesu und des Herzens Mariens durch orthodoxe Christen kaum nachvollzogen wird und bei manchen große Verwunderung hervorruft. Auch diejenigen, die römisch-katholisch wurden, nachdem sie in der orthodoxen Tradition aufgewachsen waren, sind nicht immer in der Lage, die spirituelle Bedeutung dieser Verehrung zu erfassen.
Gestern hat unser Bruder Igor das Examen „ex universa“ bestanden das sein Theologiestudium am Dominikanerkolleg in Krakau beschließt. Igor hat diese Prüfung online von Fastiw aus abgelegt. Als wir uns das letzte Mal sahen, scherzten wir, dass die Herzen der Mitglieder der Prüfungskommission weich würden, wenn sie Sirenen oder Explosionen während der Prüfung hörten. Aber die Sirenen heulten nicht, und selbst wenn sie es getan hätten, hätte es keinen Grund gegeben, Frater Igor „sanft“ zu behandeln, denn er ist ein ausgezeichneter Student, und trotz der Kriegswirren bereitete er sich fleißig auf die Prüfung vor. Schließlich ist er ein Dominikaner! Wir hoffen, dass wir seine Priesterweihe Anfang Mai ermöglichen können.
Während die letzten beiden Tage relativ ruhig waren, heulen die Sirenen heute seit dem Morgen immer wieder. Sogar Pater Mischa rief mich am Vormittag an und fragte besorgt, ob alles in Ordnung sei, denn er hatte gehört, dass in Kiew etwas Schlimmes passiert sei. Hoffen wir, dass uns die nächsten Stunden nicht mit etwas Schrecklichem überraschen werden. Gestern waren viele Menschen auf den Straßen und in den Geschäften unterwegs. Die Versorgungslage hat sich deutlich verbessert, und es sind nicht mehr alle Regale leer. Aber ich mache mir Sorgen: Selbst wenn es keinen Mangel an Waren gibt, woher werden viele Menschen demnächst das Geld nehmen, um sie einzukaufen? Schließlich hat ein großer Teil der Bevölkerung seine Einkommensquellen verloren. In dieser Situation ist die humanitäre Hilfe, die die Ukraine erreicht, eine Rettung. Sie wird nicht alle Probleme lösen, aber zumindest ist sie insbesondere für die Schwächsten eine große Hilfe. Meine lieben Freunde, dafür werden wir Ihnen wahrscheinlich bis zum Ende der Welt dankbar sein!
Heute Morgen beim Frühstück erzählte mir Jakub, ein polnischer Journalist, der manchmal bei uns wohnt und gerade aus Charkiw zurückgekehrt ist, dass bestimmte Gebiete dieser großen Stadt komplett in Ruinen liegen. Es sei auch schwierig, ein offenes Geschäft zu finden, selbst in den Stadtteilen, die nicht von russischen Bomben getroffen sind. Ohne die humanitäre Hilfe, die sie erreicht, hätten viele Menschen nichts zu essen. Jakub zeigte mir auch ein symbolträchtiges Foto: Bombeneinschläge auf einem Friedhof in der Nähe von Charkiw, auf dem die Opfer des Massakers von Katyn 1940 begraben wurden. Eine Bombe schlug direkt neben dem Grabeskreuz der vom NKWD ermordeten polnischen Offiziere ein. Was für eine starke Bildsprache.
Heute hat unsere Buchhalterin bei uns – das heißt an ihrem Arbeitsplatz – vorbeigeschaut. Nach Kriegsbeginn Ende Februar waren sie und ihre Kinder aufs Land in eine benachbarte Woiwodschaft gezogen. Ich habe mich sehr gefreut, als ich ihr rotes Auto vor meinem Fenster und dann Frau Svieta selbst sah. Als sie später ging, nahm sie zwei Kartons mit Lebensmitteln speziell für Kleinkinder mit. Diese waren vor einiger Zeit mit einer humanitären Hilfslieferung angekommen. Allerdings gibt es in Kiew nur noch sehr wenige solcher Kinder, und wir wussten nicht, wem wir diese „Leckereien“ geben sollten. Svieta nahm sie gerne für ihre neue Gemeinde mit: „Bei uns gibt es eine ganze Reihe von Müttern mit Neugeborenen“, sagt sie. Ich freue mich, dass die „von Herzen“ gespendete Ware bald die Bedürftigen erreicht. Sie nahm auch einige Gegenstände mit, die mir der polnische Botschafter kürzlich geschenkt hatte, darunter einen elektrischen Wasserkocher. Jetzt finden viele seit Jahren leerstehende Landhäuser neue Mieter. Polnische Wasserkocher werden in den ukrainischen Gebieten von Taras Schewtschenko sehr nützlich sein.
Mit herzlichen Grüßen und einer Bitte um Gebet
Jaroslaw Krawiec OP
Kiew, 22. März 2022, 19:00 Uhr
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
gestern Nachmittag habe ich einen langen Spaziergang durch Kiew gemacht. Es schadet meiner Gesundheit nicht, und die Versuchung, der ich früher oft nachgegeben habe, die Strecke mit dem Bus oder der U-Bahn abzukürzen, ist von selbst verschwunden. Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren praktisch nicht. Busse und Oberleitungsbusse hielten am Eingang zu unserem Kloster. Auf der elektronischen Fahrplantafel wird nun eine charmante Nachricht angezeigt: „Wir bedauern sehr die vorübergehenden Unannehmlichkeiten“. Vorübergehende Unannehmlichkeiten … das möchte man über diesen Krieg meinen. Und es sind eher die russischen Truppen und diejenigen, die diese Hölle entfesselt haben, die sich bei uns entschuldigen sollten!
Ich ging zuerst in das Stadtviertel Podil – das alte Viertel am rechten Ufer des Dnepr. Im Mittelalter befand sich hier ein Dominikanerkloster, von dem heute keine Spur mehr vorhanden ist, und später – nach der Wende – ein weiteres unserer Klöster, der Kairos-Verlag und der Sitz des St. Thomas Instituts. Entlang des Zhytniy-Markt, eine Markthalle, die wegen des Krieges geschlossen ist und innen einen wahrhaft sowjetischen Stil bewahrt hat, fand ich einen offenen und gut sortierten Laden mit italienischen Lebensmitteln. Vielleicht wird er eines Tages nützlich sein. Ich hielt kurz am ehemaligen Kiewer Flusshafengebäude an, um auf den Dnepr zu schauen. Der Legende nach floh der Heilige Hyazinth von Polen dorthin und überquerte den Fluss trockenen Fußes. In seinen Händen hielt er das allerheiligste Sakrament und eine Statue der Mutter Gottes. Auf dem Platz vor dem Gebäude steht eine Statue mit spielenden Kindern. Besonders bewegend zu dieser Zeit.
Es gibt jetzt viel weniger Kinder, da viele, vielleicht sogar die meisten, mit ihren Eltern geflohen sind…Ich ging an einem Mädchen im Teenageralter vorbei, das die Hand seines Vaters feste hielt. Ich habe den Eindruck, dass junge Menschen, die bereits verstehen, was geschieht, durch den Krieg psychisch schwer betroffen sind. Vielleicht sogar mehr als Kleinkinder, die noch nicht begreifen, worum es überhaupt geht. Der Krieg raubt ihnen brutal die schönen Jahre ihrer Jugend. Dieser Händedruck des Vaters war für das junge Mädchen offensichtlich notwendig… schön, dass der Vater jetzt mit seiner Tochter ist. Ein anderes Mädchen fuhr mit ihrem Roller auf dem breiten Sockel des Denkmals von Gregorius Scovoroda, dem bedeutenden ukrainischen Denker. Es waren seine Worte, die Johannes Paul II. 2001 in Kiew zitierte: „Alles vergeht, aber am Ende von allem bleibt die Liebe. Alles vergeht, nur Gott und die Liebe nicht“.
Als ich herumlief, beobachtete ich Eltern, vor allem Mütter. Sie waren sichtlich traurig, ein wenig abwesend, als ob ihre Herzen und Gedanken woanders wären. Und das ist wahrscheinlich der Fall. Vielleicht sind sie mit ihren Ehemännern bei der Verteidigung der Ukraine. Oder sie kämpfen mit Gedanken über die Zukunft, mit Ängsten und Befürchtungen. Ich war gerührt von einer armen Frau, die einen Einkaufswagen mit zwei Wasserflaschen und unordentlich gepackten Sachen schob. Sie hielt die Hand eines kleinen Jungen. In solchen Momenten möchte man helfen und erlebt gleichzeitig Hilflosigkeit. Ich sah ihnen beim Gehen zu, was das Interesse eines Soldaten weckte, der auf der anderen Straßenseite stand. Er rief mich höflich, aber bestimmt zu sich, überprüfte meine Papiere und forderte mich dann auf, die Parallelstraße weiterzugehen.
Außer Atem stieg ich von Podil den Vladimir-Hügel hinauf. Dieser schöne Park verdankt seinen Namen wahrscheinlich dem Denkmal des Heiligen Vladimir, der das Christentum in der Rus eingeführt hat. Es steht auf einem hohen Sockel mit einem Kreuz in der Hand und blickt in die Ferne auf das linke Ufer des Dnepr: Weit weg, dort, wo jetzt die Kämpfe um die Stadt ausgetragen werden. Ihre Geräusche waren gestern immer wieder im Zentrum von Kiew zu hören.
Ein paar junge Leute waren joggen. Ältere Menschen gingen friedlich spazieren. Ich wollte den Blick auf den Dnepr von der kürzlich errichteten Glasbrücke aus noch ein wenig mehr genießen. Aber es war unmöglich, sie zu überqueren.
Ein Soldat bittet um eine Zigarette. Leider rauche ich nicht. Bis zum Krieg waren die Begegnungen mit Uniformierten in der Ukraine nicht immer angenehm, vor allem wenn man von der Verkehrspolizei angehalten wurde. Heute schaue ich, wie wahrscheinlich jeder andere auch, mit Bewunderung auf diese Menschen. Sie schützen uns wirklich. Die Menschen bieten den Stadtwächtern oft etwas zu essen und zu trinken an. Viele der Verteidiger, insbesondere die Soldaten, lehnen aus Sicherheitsgründen höflich ab.
Pater Thomas erzählte, dass er bei einer Straßenkontrolle dem Mann, der seine Papiere und sein Auto kontrollierte, eine Schachtel Pralinen schenkte. Einfach so. In den Augen des Jungen standen Tränen. Diese Geste muss sein Herz berührt haben. Leider habe ich gestern keine Zigaretten gehabt. Ich hätte sie sogar gekauft und zu dem Jungen mit dem Gewehr gebracht, aber in der Nähe waren alle Geschäfte bereits geschlossen. Vielleicht wäre es also eine gute Idee, für die Zukunft eine Schachtel Zigaretten bei sich zu tragen, falls jemand wieder rauchen möchte?
Ich beschloss, zur Sophienkathedrale zu gehen, die wichtigste Kirche in Kiew. Heute ist sie ein Museum, aber alle Kirchen der byzantinischen Tradition verweisen auf ihr geistiges Erbe. Vor einigen Tagen wurde unser Kiewer Prior Pater Petro eingeladen, an einem ökumenischen Friedensgebet teilzunehmen, das in den Mauern der Sophienkathedrale stattfand. Die Anwesenheit eines Mitbruders im weißen Habit und schwarzem Mantel war Zeichen für die Präsenz der Dominikaner in der ukrainischen Hauptstadt seit der Zeit des Heiligen Hyazinth. Kiew ist dominikanisch, und die ersten Bischöfe an den Ufern des Dnepr gehörten unserem Orden an. Als ich gestern die goldenen Kuppeln und den Glockenturm der Sophienkathedrale betrachtete, dachte ich, dass die Tempel, so prächtig und würdevoll sie auch sein mögen, ebenso wie wir Bewohner des kriegsversehrten Kiews durch russische Raketen und Bomben gefährdet sind.
Etwa ein Dutzend Meter weiter, über dem Seitentor, durch das ich die Sophienkathedrale mehr als einmal betreten hatte, sah ich eine kleine goldene Statue des Erzengels Michael, der in seinen Händen ein Schild und ein Schwert hielt. Er glänzte in den Strahlen der untergehenden Sonne. Ich dachte, dass wir vielleicht doch nicht völlig schutzlos sind. Der Anführer der engelhaften Heerscharen ist der Schutzpatron von Kiew und gleichzeitig der Patron unseres Dominikanischen Vikariats in der Ukraine.
Gestern Abend erhielt ich einen schönen Brief von Pater Timothy Radcliffe, dem ehemaligen Ordensmeister. Ein paar Tage zuvor hatte Timothy uns eine Solidaritätsmail geschickt und uns Gebete zugesichert. Er schrieb, er bedauere, dass er jetzt nicht bei uns in der Ukraine sein könne.
Er fragte, ob er etwas für uns tun könne. Ich antwortete etwas frech: „ja, klar“, und bat ihn, einen Brief an die dominikanische Familie in der Ukraine zu schreiben. Als Timothy Ordensmeister war, waren damals einige Brüder, die jetzt in der Ukraine sind, Studenten in Ausbildung in unserem Krakauer Konvent. Seine Briefe gaben immer viel göttliches Licht und Hoffnung. Und das brauchen wir jetzt ganz dringend. Pater Timothy trug wesentlich zur Erneuerung der Mission des Predigerordens in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion bei. Der Brief kam am nächsten Tag an. Timothy hat Recht, dass in Zeiten des Krieges jeder Augenblick zählt.
(Das Schreiben ist auf Polnisch und Englisch abrufbar auf: https://info.dominikanie.pl/2022/03/list-do-rodziny-dominikanskiej-w-ukrainie/)
Da wir gemeinsam Gutes tun und viele von Ihnen, an die sich meine Briefe richten, uns und die leidende Ukraine auf verschiedene Weise so großzügig unterstützen, möchte ich abschließend einen Auszug aus diesem Brief zitieren: „Manchmal fragt man sich (…), was diese kleinen Taten angesichts der ungeheuren Macht von zerstörerischen Raketen, Panzern und Flugzeugen bedeuten können. Aber der Herr der Ernte wird dafür sorgen, dass nicht eine einzige gute Tat umsonst war. So wie nach der Speisung von fünftausend Menschen alle Brosamen aufgesammelt wurden, wird kein Akt der Freundlichkeit vergeudet werden. Sie wird Früchte tragen, die wir uns nicht vorstellen können.
Mit herzlichen Grüßen und einer Bitte um Gebet,
Jaroslaw Krawiec OP
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